2009 Radiobeitrag auf WDR 5
Am 6. November 2009 um 14:05 Uhr lief bei WDR 5 – LILIPUZ (Radio für Kinder) Fritzchen, das sprechende Mikrofon trifft den Original-gekleideten St.Martin. „So sah der historische Sankt Martin aus“
2009 Pressemitteilung
Der „echte“ Martin reitet in Pütz
Verfasser des Artikels: Ralph Erdenberger
Kleines Dorf im Rhein-Erft-Kreis feiert den Brauch im historischen Gewand
Fast 50 Jahre lang zog Sankt Martin mit Mitra, Bischofsmantel und wallendem Bart durch Bedburg-Pütz. In diesem Jahr findet er zu seinen römischen Wurzeln zurück. Im zweitkleinsten Dorf im Rhein-Erft-Kreis wird der Mann mit dem Mantel nach historischem Vorbild eingekleidet. Ein einzigartiges Ereignis in Nordrhein-Westfalen!
„Ne, das ist nicht der Sankt Martin!“ Die ältere Frau aus Bedburg-Pütz mustert den stattlichen Herrn mit Schuppenpanzer, Goldhelm und Schwert kritisch. „Der Martin war ein Bischof und kein Feldherr!“ Sankt Martin, der das Dorf an diesem Herbstabend im Jahre 2009 nach Christus besichtigt, lächelt milde. Er weiß: Spätestens am 12.November um 18 Uhr wird der Frau ein Laternen-Licht aufgehen – und auch den Kindern im 300-Seelen-Dorf. „Bevor er Bischof wurde, war Martinus römischer Kavallerie-Offizier“, erklärt Mark Schrader vom „Team Zeitreise“. Der Experte für alte Geschichte und historische Ausstattung hat die Organisatoren des Sankt-Martin-Zuges beraten. Von ihm stammt auch der 20 Kilogramm schwere Schuppenpanzer – eine detailreiche Nachbildung aus dem 4. Jahrhundert nach Christus.
Anfang des 4.Jahrhunderts wird Martinus, dieser spätere Bischof von Tours in der römischen Provinz Pannonien geboren. Als Sohn eines Offiziers ist für Martinus der Militärdienst Pflicht. Doch die drastischen Erfahrungen, die der Christ an mehreren Fronten sammelt, lassen ihn am Kriegshandwerk zweifeln. Mit 40 Jahren quittiert er den Dienst und schlägt einen friedlichen Weg ein. Berühmt wird Martin für seine Wohltat, seinen Mantel am Stadttor von Amiens mit einem armen Bettler geteilt zu haben.
Dieser Wandel vom Kriegsherrn zum Menschenfreund steht im Mittelpunkt des Pützer Zuges. Doch wer einen Römer nach dem Vorbild der Asterix-Hefte erwartet, wird ebenfalls enttäuscht. „Zwischen Asterix und Martinus liegen fast 350 Jahre“, weiß Hartmut Weber. Der gelernte Elektroniker und Hobby-Historiker hat die restliche Ausrüstung zusammengestellt. „Ich habe festgestellt, dass die Figur fast in allen Zügen falsch dargestellt wird.“ Sein Goldhelm ist eine detailgetreue Nachbildung eines Kopfschutzes eines römischen Reiters aus dem Jahr 319 nach Christus. Er ist beim Torfstechen in der niederländischen Provinz Nordbrabant zusammen mit datierbaren Münzen gefunden worden. Auch das Langschwert (lat. Spatha), mit dem Martinus den Mantel teilt, ist zeitgemäß: Die Vorlage der Klinge kommt aus dem Klingenmuseum in Solingen, der Griff vom Niederrhein. Selbst die Tunika hat der akribische Geschichtsfan nach Abbild eines altern Mosaik selbst angefertigt, so wie auch Schwert und Scheide. So wird der Außendienstmitarbeiter zum ersten Mal öffentlich zum historischen Sankt Martin – von Kopf bis Fuß.
„Und wo ist der Mantel?“ ruft die ältere Frau bei der Vorbesichtigung dem vermeintlichen Römer nach. „Der Mantel wird noch genäht!“ Soviel sei verraten: Er wird leicht teilbar sein, damit der Auftritt am 12. November um 18 Uhr in der Kapelle in Bedburg-Pütz auch wirklich gelingt. Anschließend wird ein Kaltblut aus Grevenbroich den Mann mit der schweren Rüstung durch das Dorf tragen. Dafür hat Hartmut Weber extra Reitunterricht genommen. „Runterfallen schmälert die Kompetenz“. Einziger Schönheitsfehler: Der Mann kommt aus Westfalen. Und das war damals Germanien.